Verfasst von: Desitin Redaktionsteam
Der Rigor zählt, neben der Akinese und dem Tremor, zu den häufigsten motorischen Symptomen bei Morbus Parkinson und somit zu den sogenannten Parkinson-Trias. Ähnlich wie auch die Spastik beschreibt der Begriff den Kontrollverlust über ganze Muskelgruppen. Insbesondere im Anfangsstadium sind sie oft schwer voneinander abzugrenzen.
Die Symptome des Rigors können auch als „Muskelsteifheit“ zusammengefasst werden. Die Anspannung von Streck- und Beugemuskeln der Gliedmaßen ist dauerhaft erhöht. Dadurch, dass diese beiden Gegenspieler gleichzeitig angespannt sind, wird die Ausführung von Bewegungen deutlich erschwert, was die Lebensqualität und Bewegungsfreiheit von Betroffenen stark einschränken kann. Typischerweise äußert sich der Rigor durch Missempfindungen und Schmerzen infolge von – durch die dauerhaft angespannten Muskeln – eingeklemmten Nerven. Typisch ist auch die gebeugte Körperhaltung, die bei vielen Parkinson-Patientinnen und Patienten auftritt: ein nach vorne gebeugter Oberkörper und Kopf, angewinkelte Ellenbogen- und Kniegelenke sowie gebeugte Fingergelenke.
Charakteristisch ist, dass die Symptome bei passiven Bewegungen zunehmen, also dann, wenn zum Beispiel ein Arm oder Bein des Betroffenen durch den Arzt oder die Ärztin ohne eigenes Zutun der Patientinnen und Patienten bewegt wird.
PDF zum Thema Beugehaltung bei Parkinson
Infos und Übungen bei gebeugter Körperhaltung durch Morbus Parkinson
Autoren: Prof. Dr. med. Andres Ceballos-Baumann und Frauke Schroeteler und Kerstin Ziegler, Physiotherapeutinnen
Informationen für Ärztinnen und Ärzte
Fachinformationen, Servicematerialien und
vieles mehr zum Thema Parkinson
Vielfältige Symptome bei Morbus Parkinson
Parkinson hat viele Symptome. Die meisten Menschen verbinden mit der Krankheit vor allem das typische Zittern. Aber im Frühstadium zeigt sich Morbus Parkinson oft nur durch subtile erste Anzeichen für gestörte Bewegungsabläufe. Außerdem müssen nicht alle Frühsymptome die Motorik betreffen.
Die mitunter schmerzhaften Muskelversteifungen werden oft als rheumatische Beschwerden bzw. Spastiken fehlinterpretiert. In den meisten Fällen manifestiert sich ein Rigor in der Schulter-Arm- bzw. in der Becken-Oberschenkel-Region. Die Kraft der Muskeln bleibt dabei voll erhalten. Körpernahe Muskeln (Schultern, Arme, Oberschenkel) sind von der Muskelsteifigkeit meistens stärker betroffen als körperferne Muskelgruppen (z. B. Unterschenkel).
Ein wesentlicher Unterschied zur Spastik ist, dass beim Rigor der spürbare Widerstand durch die erhöhte Muskelanspannung unabhängig von der Geschwindigkeit der Bewegungsausführung besteht. Bei der Spastik nimmt die Muskelsteifheit erst mit der Geschwindigkeit einer Bewegung zu, wodurch sich die betroffenen Gliedmaßen immer schwerer bewegen lassen.
Rigor ist also eine Muskelsteifheit, die unabhängig von der Bewegungsgeschwindigkeit auftritt und sowohl bei langsamen als auch schnellen Bewegungen auftreten kann. Die englische Bezeichnung „lead-pipe rigidity“ beschreibt die Steifheit wie das Biegen eines Bleirohrs.
Im Gegensatz dazu nimmt die dem Rigor verwandte Spastizität mit der Geschwindigkeit der Bewegung zu. Beide Phänomene können gleichzeitig auftreten und sind schwer zu unterscheiden. Rigor tritt früh im Schulter- und Nackenbereich auf und kann durch den Kopffalltest und den Armpendeltest erkannt werden.
Beim Kopffalltest wird der Kopf der liegenden Patientinnen und Patienten angehoben und anschließend losgelassen, um zu prüfen, ob er oder sie in das Kopfkissen fällt. Beim Armpendeltest wird der Arm der Patientinnen und Patienten passiv im Schultergelenk hin- und herbewegt, um zu prüfen, ob die Pendelbewegung vorzeitig abgebremst wird.
Eine spezielle Form des Rigors ist das Zahnradphänomen, bei dem es zu einem kurzzeitigen Nachgeben des Muskeltonus kommt, was zu einer abgehackten Bewegung ähnlich wie bei einem Zahnradeinrasten führt.
Das Zahnradphänomen ermöglicht als typisches Parkinson-Anzeichen eine Methode, um einen Rigor im fortgeschrittenen Stadium zu erkennen. Hierbei versuchen die Ärztinnen und Ärzte, den Arm der Patientinnen und Patienten zu bewegen, zum Beispiel an Ellenbogen oder Handgelenk. Durch den Rigor ist dies nur ruckartig und in kleinen Abständen möglich, als könnte die Bewegung jeweils nur bis zum Einrasten des Gelenks in der nächsten Kerbe eines imaginären Zahnrads ausgeführt werden. Denn die Symptome des Rigors werden stärker, wenn eine zweite Person die Gliedmaßen passiv beugt oder streckt, ohne dass die Patientinnen und Patienten selbst diese Bewegung initiieren. Gleichzeitig gibt der Muskeltonus sozusagen rhythmisch für eine kurze Zeit nach, wodurch sich der Arm temporär normal bewegen lässt, bevor die Anspannung wieder zunimmt und der Arm erneut „einrastet“, bevor die Anspannung dann wieder kurz nachlässt, wodurch der Arm weiter bewegt werden kann.
Spastik und Rigor unterscheiden sich auch in ihrer Ursache. Eine Spastik tritt meistens als Folge eines Schlaganfalls auf, während ein Rigor oft das Hauptmerkmal von Morbus Parkinson oder Multipler Sklerose (MS) ist.
Während die Spastik eine Folge der Schädigung des zentralen Nervensystems sind, tritt der Rigor als Störung des extrapyramidalen Systems (EPMS) auf. Zum Beispiel als Folge des Dopaminmangels bei Parkinson.
Morbus Parkinson ist eine Erkrankung des Gehirns, bei der es zu einem Mangel an Dopamin kommt. Dopamin ist ein wichtiger Botenstoff, der Informationen vom Gehirn zum zentralen Nervensystem überträgt. Wenn die Informationsübertragung gestört ist, erhalten die Muskeln keine oder falsche Signale, was auf Dauer zu einer Muskelsteifheit führen kann. Beim Rigor sind sowohl Beuge- als auch Streckmuskeln betroffen, was zu einer typischen gebeugten Haltung führen kann. Diese Haltung kann zu Schmerzen im Hals- und Schulterbereich führen.
Die genaue Ursache des Rigors ist noch nicht vollständig verstanden. Möglicherweise liegt es daran, dass bestimmte Reflexe im Körper überaktiv sind, wenn sich ein Muskel schnell dehnt. Die schnellste Reaktion des Nervensystems auf eine Dehnung ist der Dehnungsreflex, der sehr schnell abläuft und beispielsweise ausgelöst wird, wenn das Knie mit einem Reflexhammer abgeklopft und dabei die Sehne getroffen wird.
Es gibt aber auch andere Reflexe, die länger brauchen, um abzulaufen und bei denen das Gehirn beteiligt ist (kortikale Zentren). Sie werden auch als transkortikale Reflexe oder Long-Loop-Reflexe bezeichnet.
Es wird vermutet, dass eine Überaktivität dieser langen Reflexbögen den Rigor verursacht.1 Wenn man die Muskeln auf der gegenüberliegenden Seite jener Körperseite bewegt, auf welcher der Rigor bereits diagnostiziert oder zumindest vermutet wird, kann dies den Rigor verschlimmern oder überhaupt zeigen, dass er vorhanden ist (Froment-Manöver). Es scheint also, dass der Rigor durch die komplexe Interaktion mehrerer Gehirnzentren entsteht.
Mögliche Ursachen für Parkinson
Bis heute gibt es für die Parkinson-Erkrankung keine einheitliche konkrete Ursache, die ausgemacht werden konnte. Grundlegend besteht auch die Möglichkeit, dass es mehrere Auslöser gibt. Eine der bekanntesten Krankheitsursachen ist das Absterben von Dopamin-produzierenden Nervenzellen (Neuronen).
Entscheidend für die Behandlung ist, dass die eigentliche Ursache identifiziert wird. Denn der Rigor kann auch bei anderen Erkrankungen als Morbus Parkinson auftreten. Zwar ist er nicht heilbar, jedoch kann eine zielgerichtete Behandlung der zugrundeliegenden Erkrankung die Symptome lindern. Ebenso können spezielle Übungen helfen, den Rigor zu lindern, oder zumindest seine Folgen, etwa die gebeugte Körperhaltung bei Parkinson-Patientinnen und Patienten.
Neben Physio- und Ergotherapie können auch Medikamente zur Behandlung von Rigor und Spastik beitragen. Eine mögliche Behandlungsmethode ist das Injizieren von Botulinumtoxin, da es bei beiden Erkrankungen eine schnelle Wirkung zeigt und die Muskelanspannung reduziert. Die Wirkung tritt in der Regel bereits nach wenigen Tagen ein.
Bei der Physiotherapie werden Bewegungen großräumig und schwungvoll durchgeführt, um die Beweglichkeit zu erhalten oder zu verbessern. Dehnungsübungen vorab sind dabei wichtig. Die Physiotherapie beinhaltet auch Übungen zur Verbesserung des Gleichgewichts und des Gangbildes, welche regelmäßig trainiert werden sollten, um eine Verbesserung zu erzielen und die bisherige Bewegungsfähigkeit zu erhalten.
Eine weitere Möglichkeit der Physiotherapie ist die Vibrationstherapie, die auch zu Hause durchgeführt werden kann. Sie verbessert die Motorik, den Gleichgewichtssinn, reguliert die Muskelspannung und fördert den Muskelaufbau.
Die Ergotherapie kann helfen, den Umgang mit Hilfsmitteln zu erlernen und somit die Selbstständigkeit zu erhalten. Auch eine medikamentöse Behandlung kann in Erwägung gezogen werden, um die Intensität des Rigors zu verringern und die Lebensqualität zu steigern. Wenn der Rigor eine Nebenwirkung von bestimmten Medikamenten ist, sollten diese unter ärztlicher Begleitung abgesetzt werden. Die Physiotherapie und Ergotherapie dienen auch der Sturzprophylaxe und verbessern das Sicherheitsgefühl der Patientinnen und Patienten in ihren Bewegungen.
Um den Rigor bei Parkinson zu reduzieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten:
Durch regelmäßiges Training und gezielte Übungen können die Missempfindungen und Verkrampfungen reduziert werden. Große Bewegungen und häufige Wiederholungen sind dabei besonders effektiv. Zudem können Routinen und Reminder helfen, sich daran zu erinnern, die Muskeln zu lockern und große Bewegungen zu machen. Ein aktiver Lebensstil und Sport haben ebenfalls positive Auswirkungen. Wenn die Symptome jedoch nicht ausreichend verbessert werden, ist es ratsam, mit den Ärztinnen und Ärzte weitere Behandlungsoptionen zu besprechen.
Zudem hängt die Umsetzbarkeit dieser Tipps natürlich stark vom Stadium der Erkrankung ab. Die folgenden PDFs geben zahlreiche weitere Tipps zum Umgang mit Morbus Parkinson im Alltag.
Diese speziellen Parkinson-Übungen hat Desitin zusammen mit Herrn Prof. Dr. med. Georg Ebersbach entwickelt. Die Übungen sollen Menschen mit Parkinson helfen, so lange wie möglich beweglich und aktiv im täglichen Leben zu bleiben.
Der Rigor ist eine direkte Folge der degenerativen Veränderungen im Gehirn, auf die man keinen direkten Einfluss hat. Indirekt kann man jedoch durch das eigene Verhalten auf die Muskulatur einwirken und dadurch das Wohlbefinden positiv beeinflussen.
Eine aktive Lebensgestaltung und lockernde Übungen können dazu beitragen, Missempfindungen und Verkrampfungen zu reduzieren. Wenn der Körper aufgrund des hohen Ruhetonus ständig das Signal erhält, dass die Muskeln in ihrer vollen Länge nicht benötigt werden, verkürzt sich langfristig die Muskulatur. Dadurch können Bewegungseinschränkungen, Fehlhaltungen und Schmerzen entstehen, die das alltägliche Leben einschränken können.
Um dies zu verhindern, ist es wichtig, große Bewegungen, lange und häufige Wiederholungen, sowie Sport und Bewegung in die tägliche Routine zu integrieren. Auch wenn die Muskulatur den Befehl erhält, angespannt zu sein, lockert jede gezielte Bewegung die Muskeln. Durch regelmäßige Beweglichkeitstests kann man feststellen, welche Fortschritte man macht und welche Lockerungsübungen am besten für den eigenen Körper geeignet sind.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass die Auswirkungen nicht von heute auf morgen spürbar sein werden. Eine konsequente Umsetzung der Lockerungsübungen und Bewegungseinheiten ist notwendig, um langfristig eine Verbesserung der Symptome zu erreichen.
Das Desitin Redaktionsteam besteht aus den Bereichen Medical Affairs und Product Management. Um Ihnen die besten Inhalte zu bieten, arbeiten wir zusätzlich mit Expertinnen und Experten zusammen. Das Team wird um ausgewählte Ärztinnen und Ärzte sowie Fachjournalistinnen und Fachjournalisten ergänzt. Diese schreiben regelmäßig für uns und bereichern desitin.de mit ihren fachlichen Beiträgen. Schreiben Sie uns bei Fragen auch gerne eine E-Mail an info@desitin.de.
1 Nazanin Baradaran, Sun Nee Tan, Aiping Liu, Ahmad Ashoori, Samantha J. Palmer, Z. Jane Wang, Meeko M.K. Oishi and Martin J. McKeown: Parkinson’s Disease Rigidity: Relation to Brain Connectivity and Motor Performance. Front Neurol. 2013; 4: 67. Published online 2013 Jun 5. doi: 10.3389/fneur.2013.00067 PMCID: PMC3672800 PMID: 23761780
Mehr für Parkinson-Patientinnen und Patienten
Um den Alltag als Patient/in bzw. Angehörige/r zu erleichtern,
bieten wir Ihnen umfangreiche Informationen.
INFOMATERIAL
Broschüren & Downloads
PRODUKTE
Übersicht & Informationen
ZENTREN FINDER
Hilfe in Ihrer Nähe
WISSENSWERTES
Informationen zur Erkrankung