Viele Formen und Behandlungswege
Viele Menschen glauben, ein epileptischer Anfall läuft in etwa so ab: Jemand stößt aus heiterem Himmel einen Schrei aus, verliert das Bewusstsein, wird dann steif und fällt um. Die Person hält den Atem an und wird blau. Die Arme und Beine verkrampfen sich. Die Situation verschlechtert sich, bis der oder die Betroffene vor Erschöpfung in eine Art Tiefschlaf fällt. Diese Beschreibung trifft zwar auf eine bestimmte Form epileptischer Anfälle zu (den sogenannten Grand-mal-Anfall oder generalisierten tonisch-klonischen Anfall), jedoch ist diese Anfallsform nur eine von vielen möglichen Varianten.
Epileptische Anfälle können sehr unterschiedlich aussehen und auch ohne die bekannten Symptome eines Grand-mal-Anfalls ablaufen. Manche wirken so unscheinbar, dass weder die Betroffenen irgendetwas davon mitbekommen, noch anderen Personen etwas auffällt. Deshalb kam eine australische Studie auch zu dem Schluss, dass bis zum Indexanfall (der Anfall, der zur Diagnose einer Epilepsie führt) bis zu zwei Jahre vergehen können, in denen es bereits unbemerkt zu vielen kleineren Anfällen gekommen ist. Einziges Anzeichen eines solchen epileptischen Anfalls kann beispielsweise eine geistige Abwesenheit von fünf bis zehn Sekunden (Absence-Epilepsie), Gänsehaut oder das kurze Zucken eines Armes sein (Myoklonischer Anfall).
Wenn die Diagnose Epilepsie gestellt wird, sind Betroffene oftmals verunsichert und fragen sich: Was kommt jetzt auf mich und meine Angehörigen zu?
Glücklicherweise können Patienten und Patientinnen mit Epilepsie heute mehr denn je auf eine gute medizinische Versorgung zurückgreifen. Die Behandlungsmöglichkeiten mit Antiepileptika, die bei Epilepsie infrage kommen, sind vielseitig und ermöglichen eine individuelle Abstimmung auf das Krankheitsbild. Im Folgenden möchten wir helfen, die Definition der Erkrankung zu verstehen, Behandlungsmethoden - auch abseits der Medikamente wie Antiepileptika - kennenzulernen und über das Leben mit Epilepsie informieren. Außerdem erfahren Sie interessante Zahlen und Fakten rund um die Häufigkeit, Betroffenen und Risikogruppen der Epilepsie, sowie zur Lebenserwartung und Diagnose.
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Durch die große Vielfalt von Erscheinungsformen epileptischer Anfälle ist eine allgemeine Definition der Erkrankung „Epilepsie“ schwierig.
Die Wahrscheinlichkeit, im Laufe des Lebens an Epilepsie zu erkranken, liegt bei über 5 %. Kinder und ältere Menschen sind häufiger betroffen; etwa 2/3 aller Epilepsien treten bis zum 20. Lebensjahr auf. Ab dem 60. Lebensjahr verdoppelt sich das Risiko, an Epilepsie zu erkranken im Vergleich zum Erwachsenenalter.
Wie leistet man erste Hilfe bei epileptischen Anfällen?
Ein epileptischer Anfall kann auf den ersten Blick angsteinflößend aussehen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was genau Patient*innen dabei erleben, welche Gefahren drohen und […]
Die unterschiedlichen Anzeichen und Anfallsformen von Epilepsie erschweren die Diagnose. Das wichtigste Epilepsie-Symptom ist der epileptische Anfall. Allerdings verläuft nicht jeder Anfall gleich; vielmehr variieren die Anfallsformen beträchtlich, wodurch es für den Arzt bzw. die Ärztin schwierig werden kann, eine Epilepsie zu diagnostizieren. Unterstützen kann bei der Diagnose zum Beispiel ein Handy-Video, welches spontan von den Angehörigen aufgenommen wurde.
In der Regel werden mit der Epilepsie Symptome wie Muskelzuckungen, Verkrampfungen und Bewusstseinsverlust verbunden. Das Spektrum ist jedoch viel breiter: Auch Gefühls- und Verhaltensänderungen können Teil eines epileptischen Anfalls sein und als Epilepsie-Symptom verstanden werden. So vielfältig die Anfallsformen sind, treten bei jedem einzelnen Epilepsie-Patienten in der Regel nur ein bis maximal drei verschiedene Formen auf.
Aufgrund der Vielzahl an Anfallsformen gibt es verschiedene Ansätze, epileptische Anfälle zu klassifizieren. Dabei wird heute meist die Definition der Internationalen Liga gegen Epilepsie (International League Against Epilepsy – ILAE) genutzt, an der auch wir uns im Folgenden orientieren.
Epileptische Anfälle haben viele Formen
Es gibt viele verschiedene Anfallsformen und weitere Symptome bei Epilepsie. Hier erfahren Sie mehr über die Unterschiede und Anzeichen.
Fokale Anfälle werden auch als partielle oder lokalisationsbezogene epileptische Anfälle bezeichnet. Diese Anfälle gehen immer von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient oder die Patientin den epileptischen Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform. Fokale epileptische Anfälle, vor allem solche mit Bewusstseinsstörung, können in einen sogenannten sekundär generalisierten Anfall (auch bilateral tonisch-klonischer Anfall) übergehen, der dann beide Gehirnhälften betrifft.
Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Symptome können zum Beispiel Herzrasen, Speichelfluss, Gesichtsrötung, Schweißausbrüche oder Übelkeit sein. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden in der Literatur beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B. Räuspern, Schmatzen, bestimmte Sätze oder Fragen.
Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen. Generalisierte epileptische Anfälle treten in verschiedenen Unterformen auf:
Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen. Wie oft epileptische Anfälle dieser Art auftreten, hängt vom individuellen Krankheitsbild ab.
Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen. Diese betreffen häufig Kopf und Arme, es können aber auch die Beine beteiligt sein.
Bei einem klonischen Anfall treten länger anhaltende rhythmische Zuckungen auf.
Tonische Anfälle sind gekennzeichnet durch andauernde Muskelanspannungen, die länger anhalten können.
Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht (siehe oben). Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken. Im Anschluss an einen Grand-mal-Anfall sind die meisten Patienten sehr erschöpft und müssen sich erholen.
Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall. Diese epileptischen Anfälle resultieren häufig in Stürzen.
Abgrenzung epileptischer Anfälle zu anderen Krampfanfällen
Krampfanfall, Fieberkrampf oder Epilepsie – Die Unterschiede Der Ausdruck „epileptischer Anfall" ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedlichste Krankheitsbilder; dabei ist nicht jeder einmalige Anfall auch gleichbedeutend […]
Epileptische Anfälle sind relativ kurz andauernde, plötzliche Änderungen des Bewusstseins, Denkens, Verhaltens, Gedächtnisses, Fühlens, Empfindens oder der Anspannung der Muskulatur. Grund dafür ist eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn in Form vermehrter und einander gegenseitig aufschaukelnder elektrischer Entladungen. Die Ursachen dafür sind jedoch sehr unterschiedlich.
Alle epileptischen Anfälle haben gemeinsam, dass sie von Zeit zu Zeit auftreten, meist ohne erkennbaren Anlass. Es gibt mehr als 30 Formen von Epilepsien. Jede/r Betroffene hat in der Regel nur eine Epilepsieform mit ein bis drei verschiedenen Anfallsformen. Die zeitlichen Abstände zwischen den einzelnen Krampfanfällen können sehr stark schwanken und liegen zwischen wenigen Sekunden und mehreren Jahren.
Mögliche Ursachen & Auslöser einer Epilepsie
Ursachen einer Epilepsie: Die Suche nach dem Auslöser Eines haben alle Epilepsien gemeinsam: Sie haben ihren Ursprung im Gehirn. Als Auslöser kommen jedoch verschiedenste Ursachen […]
Fortbildungen aus den Bereichen Neurologie, Neuropädiatrie und Seltene Erkrankungen
Für die Behandlung der Epilepsie stehen heute zahlreiche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Welche Therapie für den jeweiligen Patienten bzw. die Patientin geeignet ist, hängt vor allem vom individuellen Krankheitsbild, der Anfallsform und den damit verbundenen Besonderheiten ab.
Ist die Diagnose Epilepsie gestellt und ist klar, um welche Form der Epilepsie es sich handelt, wird fast immer mit einer medikamentösen Therapie begonnen. Zur Behandlung stehen eine Vielzahl von Wirkstoffen zur Verfügung, jedoch wirken nicht alle Medikamente bei allen Epilepsieformen. Es gibt Präparate, die nur bei fokalen Anfällen wirksam sind und solche, die insbesondere bei generalisierten Anfällen wirken. Wieder andere wirken bei beiden Anfallsformen oder nur bei ganz bestimmten Epilepsie-Syndromen. Um das Arzneimittel zu finden, welches am wirksamsten und am verträglichsten ist, müssen bei der Wahl des Präparats weitere Faktoren, wie z. B. das Alter der Betroffenen und eventuell weitere eingenommene Arzneimittel, berücksichtigt werden.
Etwa 50 % aller Epilepsie-Patienten und Epilepsie-Patientinnen werden mit dem ersten verabreichten Medikament anfallsfrei. Bei den übrigen 50 % wird meist ein anderes Mittel verschrieben, worunter weitere 20 % anfallsfrei werden. Die Patienten, die weitere Anfälle erleiden, werden häufig mit einer Kombination aus verschiedenen Wirkstoffen behandelt. Bei der medikamentösen Behandlung der Epilepsie ist es besonders wichtig, dass die Tabletten regelmäßig und zu festen Zeiten eingenommen werden. Nur so wird die bestmögliche Wirksamkeit erreicht.
Letztlich können 2/3 aller Betroffenen mit einer medikamentösen Behandlung erfolgreich therapiert werden. Aber auch für diejenigen, die mit Medikamenten nicht anfallsfrei werden, haben sich die Möglichkeiten der Epilepsie-Behandlung in den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt.
Das Krankheitsbild Epilepsie Viele Menschen glauben, ein epileptischer Anfall läuft in etwa so ab: Jemand stößt aus heiterem Himmel einen Schrei aus, verliert das Bewusstsein, […]
Wichtiger Hinweis: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, folgende Informationen ausschließlich Ärzt*innen bzw. Menschen mit Gesundheitsberufen zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind die Fachartikel rund um Epilepsie ausschließlich mit einem Log-in aufrufbar, z. B. via DocCheck.
Die Expertin Fr. Dr. med. Verena Gaus präsentiert Ihnen in diesem Vortrag die aktuellen Empfehlungen der Pharmakotherapie für eine fokale und generalisierte Epilepsie und zeigt auf, wie die Behandlungsziele dabei definiert sind.
Mit welchem Antikonvulsivum beginnen?
In diesem Podcast geht Herr Prof. Elger auf die unterschiedlichen Patienten-Typen (SANAD-Studie) aller Altersklassen und auch auf die syndromspezifische Behandlung von Kindern ein. Wesentlicher Bestandteil der Therapie ist aber die konzeptionelle Betrachtung des Patienten.
Bestimmte Formen der Epilepsie können operativ behandelt werden. So kann z. B. der Teil im Gehirn, von dem der Anfall ausgeht, entfernt werden, oder man durchtrennt bestimmte Verbindungen im Gehirn, was eine Ausbreitung des epileptischen Anfalls verhindert. Mit speziellen Untersuchungsmethoden kann der Neurologe bzw. die Neurologin feststellen, ob dem Patient oder der Patientin mit einer solchen Operation geholfen werden kann.
Eine weitere mögliche Behandlungsmethode ist die sogenannte Neurostimulation. Hier stehen unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Das wohl bekannteste ist die Vagusnervstimulation. Dabei soll die Reizung des Vagusnervs Impulse ins Gehirn weiterleiten und dort bestimmte Hirnbereiche beeinflussen, wodurch Krampfanfälle verhindert werden.
Zusammenfassung Eine ketogene Diät kann als Ernährungstherapie vor allem bei Kindern zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, wenn Medikamente nicht ausreichend wirken (medikamentenresistente Epilepsie). Bei […]
PDF zur Therapietreue bei Epilepsie
Wichtige Informationen zur regelmäßigen Medikamenteneinnahme bei Epilepsie
Autor: Desitin Arzneimittel GmbH
Epilepsie – was ist das überhaupt? Wie können wir Epilepsie - was ist das überhaupt? In dieser Podcastserie beantwortet der Experte Prof. Dr. Christian Elger diese und weitere Fragen rund um das Thema Epilepsie
Diese Frage bezüglich einer hochkomplexen neurologischen Erkrankung wie der Epilepsie zu beantworten, ist sehr schwer. Bis heute gibt es keine allgemeingültige Definition oder Antwort auf die Frage, ab wann eine Epilepsie als geheilt gilt. Und auch nicht darauf, ob sie überhaupt heilbar ist. Laut den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Neurologie aus dem Jahr 2017 gilt Epilepsie als geheilt, wenn Patient*innen mindestens 10 Jahre anfallsfrei sind und in diesem Zeitraum mindestens 5 Jahre keine Antiepileptika mehr eingenommen haben.
Das Absetzen der Antiepileptika wird jedoch – selbst bei anhaltender Anfallsfreiheit – als kritisch betrachtet und muss sehr genau gegenüber der möglichen Risiken abgewogen werden. Dabei spielt es weniger eine Rolle, wie lange Patient*innen bereits anfallsfrei sind, sondern eher an welcher Anfallsform bzw. an welchem Epilepsiesyndrom sie leiden und wie schwer die Einstellung der Medikamente ist. In seltenen Fällen, zum Beispiel bei einer Epilepsie infolge einer Kopfverletzung bzw. Schwellung des Gehirns, oder bei einer infektiösen Epilepsie, etwa infolge einer Hirnhautentzündung, kann die Anfallsfreiheit auch durch die Behandlung der Ursache erzielt werden und die Medikamente können in einigen Fällen abgesetzt werden.
Oberstes Ziel einer Therapie ist aber die Anfallsfreiheit bzw. Anfallskontrolle durch die lebenslange Einnahme von Medikamenten. Und zwar bei guter Verträglichkeit bzw. möglichst wenig Nebenwirkungen. Wird diese erreicht, so kann man von einer bedingten Heilung sprechen. Die Prognose für das Erreichen der Anfallsfreiheit variiert je nach Anfalls- und Epilepsieform. Grundsätzlich können etwa zwei Drittel aller Patient*innen anfallsfrei werden oder eine gute Anfallskontrolle erreichen, solange sie die verordneten Medikamente konsequent einnehmen.4,5,6
Da epileptische Anfälle jedoch meist als eine unspezifische Reaktion des Gehirns auf verschiedenste schädliche Auslöser erfolgen und die Ursachen der meisten Epilepsien bis heute nicht abschließend untersucht sind, bleibt die grundlegende Neigung bzw. Fähigkeit des Gehirns, epileptische Anfälle zu produzieren, ein Leben lang bestehen. Ausnahme bilden sehr seltene Formen der Epilepsie, vor allem in der Kindheit, die teilweise ausheilen können. Sie gelten als überwunden, wenn Patient*innen jenseits des entsprechenden Alters anfallsfrei sind. Die Diagnose Epilepsie beschreibt also eigentlich nur das – meist sehr hohe – Risiko, dass bei betroffenen Patient*innen in Zukunft weitere Anfälle auftreten. Entweder genetisch, metabolisch, strukturell oder immunologisch bedingt. Und da es bis heute keine messbaren Anzeichen dafür gibt, wie hoch die Wahrscheinlichkeit für zukünftige Anfälle ist bzw. für das Fortbestehen einer Anfallsfreiheit, werden Medikamente nur sehr vorsichtig, selten und in enger Abstimmung mit den Ärzt*innen abgesetzt. Dementsprechend gestaltet sich auch die Definition „geheilt“ als sehr schwierig.
Die Medikamente, die zur Epilepsie-Behandlung eingesetzt werden, heißen zwar „Antiepileptika“, haben jedoch keinen Einfluss auf die Erkrankung an sich. Vielmehr blockieren sie Krampfanfälle, indem sie die Schwelle des Gehirns für Anfälle hochsetzen. Es werden also nicht die Ursachen der Epilepsie, sondern die Symptome behandelt. Aus diesem Grund werden Antiepileptika auch häufig Antikonvulsiva (Mittel gegen Krämpfe) genannt.
Damit wird deutlich, dass die Medikamente keine heilende Wirkung auf die Epilepsie haben. Tatsächlich müssen ca. 60 % aller Epilepsie-Betroffenen ihr Leben lang Medikamente einnehmen.
Im Laufe des Lebens verschwinden die Ursachen für die epileptischen Anfälle fast nie. Durch eine OP kann jedoch der Auslöser in manchen Situationen beseitigt werden. Vor allem beim Auftreten von Epilepsien im Kindesalter gibt es für manche Formen gute Prognosen, die ein Absetzen der Medikamente möglich machen, ohne dass erneut Anfälle auftreten. Auch im Erwachsenenalter kann in manchen Fällen erwogen werden, die Medikation abzusetzen. Eine Änderung der Medikamenteneinnahme darf aber in jedem Fall nur nach intensiver ärztlicher Beratung erfolgen, und sollte, selbst bei jahrelanger Anfallsfreiheit, niemals im Alleingang geschehen.
Kann eine Therapie zu Ende sein? Wie beende ich Therapiemaßnahmen?
Wann kann eine Epilepsie-Therapie beendet werden? Diese Frage ist für Epilepsiepatient*innen von großer Bedeutung und zugleich durch die behandelnden Ärzt*innen nicht einfach zu beantworten. Experte Prof. Elger erläutert in dieser Podcast-Folge, wann ein Absetzen der Medikation möglich ist.
Bei einigen Formen der Epilepsie ist die Lebenserwartung statisch zwar verkürzt. Das ist jedoch in dem meisten Fällen nicht auf die Epilepsie selbst zurückzuführen, sondern eher auf ihre Folgen für die Psyche und auf ein erhöhtes Unfallrisiko.
Außerdem spielt die Ursache bzw. Form der Epilepsie eine entscheidende Rolle. Eine Epilepsie wirkt sich vor allem dann auf die Lebenserwartung aus, wenn die eigentliche Ursache für das Anfallsgeschehen eine andere, oft schwere und prozesshafte Grunderkrankung ist. Rein statistisch betrachtet ist die Lebenserwartung von Epilepsie-Patient*innen mit solchen metabolischen und strukturellen Epilepsien (symptomatische Epilepsie) im Vergleich zur gesunden Bevölkerung um 10 Jahre verkürzt.2 Denn diese Epilepsien sind eigentlich Folge einer anderen Erkrankung wie einer Stoffwechselstörung oder eines bösartigen Hirntumors.
Bei kryptogenen oder genetischen Epilepsien hingegen ist die Lebenserwartung um 2 Jahre verkürzt. Und das ist zudem nur in sehr seltenen Fällen eine direkte Folge der epileptischen Anfälle, wie etwa bei SUDEP, sondern eher auf Unfälle, Verletzungen oder Suizid infolge der Epilepsie zurückzuführen.7,8,9 Diese Fälle treten meist nur dann ein, wenn die Epilepsie nicht richtig behandelt oder zu spät diagnostiziert wird. Auch deshalb sind eine gute Anfallskontrolle oder Anfallsfreiheit durch eine frühe Diagnose und zielgerichtete Behandlung mit Antiepileptika oder Operationen so wichtig und in der Regel auch möglich.
Insbesondere therapieresistente Epilepsien erhöhen zum Beispiel das Suizidrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung deutlich. Auch psychische Störungen, Einschränkungen im Alltag, Probleme in Beziehungen und soziale Isolation sind Risikofaktoren. Eine erfolgreiche Anfallskontrolle und Hilfe bei der Integration der Erkrankung in einen selbstbestimmten Alltag sind hier entscheidende Ansätze, um dieses Risiko zu senken.
Tipps für den Alltag mit Epilepsie
Kurzzusammenfassung Viele Patienten sind nach der ersten Diagnose verunsichert, wie sich ihr gewohntes Leben nach der Diagnose Epilepsie verändern wird. Allerdings ist diese Erkrankung heute […]
1 Brandt, C.: Epilepsie in Zahlen. Informationszentrum Epilepsie (ize)
der Dt. Gesellschaft für Epileptologie e.V. 2016. Online verfügbar unter http://www.dgfe.org/home/showdoc,id,387,aid,217.html. Zuletzt abgerufen: April 2022.
2 Informationen zu Lebenserwartung, Todesursachen und plötzlicher Tod. Informationszentrum Epilepsie (ize) der Dt. Gesellschaft für Epileptologie e.V. 2013. Online verfügbar unter: http://www.dgfe.org/home/showdoc,id,387,aid,2153.html. Zuletzt abgerufen: September 2022.
3 Elger C.E, Berkenfeld R. (geteilte Erstautorenschaft) et al. S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. 2017. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 16.09.2022)
4 Sander JW et al. National General Practice Study of Epilepsy: newly diagnosed epileptic seizures in a general population. Lancet 1990;336(8726):1267-1271. doi:10.1016/0140-6736(90)92959-l.
5 Brandt, C.: Akut-symptomatische epileptische Anfälle: Inzidenz, Prognose und Aspekte der antiepileptischen Behandlung. Aktuelle Neurologie 2012, 480-485
6 Amboss. Generalisierte Epilepsien im Kindesalter. Online verfügbar unter: https://www.amboss.com/de/wissen/Fokale_Epilepsien_und_Syndrome. Zuletzt abgerufen: April 2021.
7 Hughes, John R.: A review of sudden unexpected death in epilepsy: Prediction of patients at risk
Epilepsy & Behavior, 5.1.2009. Zuletzt abgerufen: Oktober 2022
8 Diehl, L.: Epilepsie und Suizid. Psychiatrie, Neurologie und medizinische Psychologie 38 (1986) 625-633
9 Endermann, M.: Epilepsie und Depressivität. Oberdieck, Göttingen, 1992
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