Wie grenzt man epileptische Anfälle ab?
Verfasst von: Desitin Redaktionsteam
Der Ausdruck „epileptischer Anfall“ ist eine Sammelbezeichnung für unterschiedlichste Krankheitsbilder; dabei ist nicht jeder einmalige Anfall auch gleichbedeutend mit einer Epilepsie. Etwa 10 % aller Menschen erleiden in ihrem Leben einen Krampfanfall ohne jemals tatsächlich an Epilepsie zu erkranken. Trotzdem erschrecken viele Eltern oder Angehörige beim Anblick eines Krampfanfalls ihres Kindes oder ihrer Liebsten, denn beispielsweise Fieberkrämpfe können erschreckend aussehen, selbst wenn sie in der Regel medizinisch harmlos sind und keine Langzeitfolgen nach sich ziehen.
Mit den folgenden Erklärungen möchten wir helfen, die Zusammenhänge von Ursachen, Erscheinungsbild, Ablauf und Behandlung eines akuten Krampfanfalls besser zu verstehen und von einer Epilepsie zu unterscheiden. Zudem zeigen wir auch, was bei einem Anfall zu tun ist. Grundsätzlich gilt aber, dass der beste Weg für gezielte Informationen das ausführliche Gespräch mit Kinder- und Jugendärzt*innen bzw. Neurologinnen und Neurologen ist.
Es kann bei jedem Menschen im Rahmen von akuten Erkrankungen des Gehirns (z. B. bei einer begrenzten Entzündung des Gehirns mit Eiterbildung, einem sogenannten Hirnabszess) zu epileptischen Anfällen kommen. Auch schwere Kopfverletzungen, Situationen, in denen das Gehirn nicht genug Sauerstoff bekommt, oder die Einnahme einer Überdosis von Medikamenten, begünstigen solche Anfälle. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine Epilepsie, sondern um Krampfanfälle, die aufgrund der akuten Erkrankung bzw. der akuten Schädigung des Gehirns auftreten. Solche Krampfanfälle gehören zur Gruppe der sogenannten Gelegenheitsanfälle (auch akut symptomatische Anfälle). Es gibt also einen direkt zu identifizierenden Auslöser für den Anfall, wie z. B. Alkoholgenuss, Drogen, bestimmte Medikamente, Schlafmangel oder auch Fieber (siehe Absatz Fieberkrampf). Von einer Epilepsie oder einem Anfallsleiden spricht man dagegen erst, wenn die Anfälle spontan, das heißt ohne einen erkennbaren Auslösefaktor und in bestimmten Abständen bzw. bestimmter Häufigkeit auftreten. In einem anderen Absatz erklären wir Ihnen, wie genau eine Epilepsie definiert wird. Das bedeutet auch, dass die Krampfanfälle aufhören, wenn man die eindeutigen Auslöser bzw. akuten Ursachen behandelt oder meidet. Epilepsien liegen jedoch unbekannte oder chronische Ursachen zugrunde, weshalb meistens die Einnahme von Anfallssuppressiva erforderlich ist, um eine Anfallskontrolle oder Anfallsfreiheit zu erreichen.
Zudem gibt es einige Regeln bezüglich der ersten Hilfe zu berücksichtigen. Und zwar unabhängig davon, ob es sich um einen akut symptomatischen Krampfanfall oder einen epileptischen Anfall handelt.
Am wichtigsten ist es, dass gefährliche Gegenstände aus der Nähe der krampfenden Person entfernt werden und dass der Kopf geschützt wird, zum Beispiel, indem man eine Jacke oder ein Kissen darunter legt. Dann sollte die Person sanft in die stabile Seitenlage gebracht werden, um die Atemwege freizuhalten.
Außerdem darf man Betroffene niemals festhalten. Auch der Mund ist tabu. Man sollte niemals einen Gegenstand als eine Art Beißkeil in den Mund stecken, wie etwa einen Löffel, um zu verhindern, dass Betroffene sich auf die Zunge beißen. Durch den Beißkeil besteht Verletzungsgefahr und das Risiko, dass Krampfende ihn verschlucken oder einatmen.
Handelt es sich um den ersten Krampfanfall bzw. um Personen, die nicht bereits als Menschen mit Epilepsie diagnostiziert wurden, sollte man einen Notarzt rufen und als Betroffener nach dem Anfall unbedingt einen Facharzt aufsuchen. Bei bereits diagnostizierten Menschen mit Epilepsie ist das jedoch meistens nicht notwendig. Erlebt man einen Krampfanfall bei einer fremden Person mit, so kann es sinnvoll sein, die Taschen der Betroffenen nach einem Notfallausweis zu durchsuchen, den Menschen mit Epilepsie häufig bei sich tragen. Darin steht ganz genau, wer zu kontaktieren ist (Notfallkontakt). Finden Sie einen solchen Ausweis bei einer krampfenden Person, so sollten Sie zudem auf bestimmte Merkmale und die Dauer des Anfalls achten. Schauen Sie also auf die Uhr und notieren Sie prägnante Symptome wie krampfende Gliedmaßen, Schaum vor dem Mund oder ob die Augen offen oder geschlossen sind. Kennen Sie die Person, so ist die Aufnahme des Anfalls mit dem Smartphone empfehlenswert. Weitere Infos zur ersten Hilfe bei Krampfanfällen bzw. epileptischen Anfällen finden Sie in unserem ausführlichen Ratgeber zum Thema.
Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen
Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen Ein epileptischer Anfall kann auf den ersten Blick angsteinflößend aussehen. Deshalb ist es wichtig zu verstehen, was genau Patientinnen und […]
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Ein weiteres und gerade bei Eltern sehr bekanntes Beispiel für einen sogenannten Gelegenheitsanfall ist der Fieberkrampf, dessen Auslöser ein fieberhafter Infekt ist. Wie der Name Fieberkrampf sagt, werden die Anfälle vor allem durch rasch ansteigendes Fieber ausgelöst.
2-5 % aller Kinder erleiden mindestens einmal einen Fieberkrampf. Diese Krampfanfälle haben beim einmaligen Auftreten keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung oder das Gehirn und bilden meist auch kein erhöhtes Risiko, im Lauf des Lebens an einer Epilepsie zu erkranken.
Nur in seltenen Fällen liegt dem Fieberkrampf eine lebensbedrohliche Erkrankung zugrunde, wie z. B. eine Entzündung des Gehirns (Enzephalitis) oder seiner Hirnhäute (Meningitis). Deshalb gilt als Regel, beim Auftreten eines ersten Fieberkrampfes auf jeden Fall einen Arzt bzw. eine Ärztin hinzuzuziehen.
Ein Fieberkrampf entspricht im Allgemeinen dem Erscheinungsbild eines generalisierten tonisch-klonischen Anfalls, dem sogenannten Grand-mal-Anfall. Manchmal beginnt der Fieberkrampf z. B. mit einem Armzucken oder der Kopfwendung zu einer Seite. Dann spricht man von einem fokalen (von einem bestimmten Ort im Gehirn ausgehenden) Beginn des Anfalls. Fieberkrämpfe dauern in der Regel weniger als fünf Minuten an.
Bei circa 20 % der Fieberkrämpfe beträgt die Dauer des Fieberkrampfes zwischen 5 und 15 Minuten und nur bei 10 % länger als 15 Minuten. Diese Anfälle müssen durch Medikamente beendet werden. Man spricht dann von einem komplizierten Fieberkrampf. Während eines Infektes können sich Fieberkrämpfe auch mehrfach wiederholen. Auch wenn sich das Kind im Anschluss an den Anfall nicht rasch erholt oder in kurzer Folge (bzw. während der folgenden 24 Stunden) weitere Anfälle auftreten, handelt es sich um einen komplizierten Fieberkrampf. Nach einem Anfall ist das Kind müde und bei länger anhaltenden Krämpfen kann das Bewusstsein für Stunden leicht getrübt sein.
In den meisten Fällen handelt es sich um einen sogenannten einfachen Fieberkrampf. Zu Beginn des Anfalls wird oft das Verdrehen der Augen beobachtet. Im Verlauf kommt es dann zum Bewusstseinsverlust und zur Anspannung des gesamten Körpers, die in ein Zucken der Arme und Beine übergehen kann. Das Gesicht ist meistens blass, manchmal kommt es auch zu einer Blaufärbung im Bereich der Lippen (sogenannte Zyanose). Mitunter tritt anstelle der Körperverspannung ein gänzlicher Verlust der Körperspannung auf. Der Großteil dieser Anfälle hält nur sehr kurz an (Sekunden bis wenige Minuten) und endet von allein.
So bedrohlich dieses Ereignis auch aussieht, das Kind erholt sich davon anschließend normalerweise rasch und komplett.
Die Wahrscheinlichkeit, dass nach einem ersten Fieberkrampf erneut Krämpfe auftreten, liegt bei ca. 30-40 %. Nur ein kleiner Prozentsatz der Kinder, die Fieberkrämpfe durchgemacht haben, werden eine Epilepsie entwickeln.
Nicht immer handelt es sich allerdings bei einem Anfall in einer fiebrigen Phase um ein harmloses Ereignis; in seltenen Fällen kann ein Krampfanfall bei Fieber auch das Zeichen einer beginnenden Hirnhautentzündung oder einer anderen ernsten Erkrankung sein. Deshalb hat die Regel zu gelten, dass bei jedem ersten Krampfanfall – mit oder ohne Fieber – ein Arzt oder eine Ärztin hinzugezogen werden muss.
Fieberkrampf Merkblatt für Eltern
Alle Infos zur Behandlung von Fieberkrämpfen zum Ausdrucken
Autor: Desitin Arzneimittel GmbH
Wichtiger Hinweis: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, folgende Informationen ausschließlich Ärztinnen und Ärzte bzw. Menschen mit Gesundheitsberufen zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind die Fachartikel rund um Epilepsie ausschließlich mit einem Log-in aufrufbar, z. B. via DocCheck.
Wie lautet das richtige diagnostische Vorgehen und welche Rolle spielen dabei (Fremd)-Anamnese, EEG und Bildgebung? Prof. Dr. med. Hajo Hamer gibt Ihnen in diesem interaktiven eLearning einen Überblick zur Differentialdiagnose und Therapie.
Von der Semiologie zur Diagnose
Häufig ist es für Ärztinnen und Ärzte nicht immer einfach einen epileptischen Anfall eindeutig zu diagnostizieren und zu therapieren. In dieser Online-Fortbildung gibt Ihnen Prof. Dr. med. Jörg Wellmer mittels eines interaktiven eLearnings Hilfestellungen.
Nach einem ersten Fieberkrampf wird der Arzt bzw. die Ärztin dem Kind möglicherweise vorsorglich ein Medikament (z. B. flüssiges Diazepam in einer Rektaltube) zur Unterbrechung von Fieberkrämpfen verschreiben. Falls es erneut zu einem Fieberkrampf kommen sollte, verabreichen Sie dem Kind den Inhalt der Rektaltube sofort in den After. Das Medikament unterbricht den Fieberkrampf im Allgemeinen innerhalb weniger Minuten. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich von der ärztlichen Fachperson über die Handhabung und die zu verabreichende Dosis der Rektaltube aufklären zu lassen sowie die Gebrauchsinformation genau zu lesen. Nur so können Sie im Notfall dieses Arzneimittel ruhig und sicher einsetzen. Ob diese oder weitere Behandlungsmaßnahmen ergriffen werden, entscheidet die ärztliche Fachperson des Kindes ganz individuell. Bei Fragen wenden Sie sich bitte vertrauensvoll an diese.
Nein, leider gibt es kein sicheres Mittel, um das erneute Auftreten eines Fieberkrampfes zu verhindern. Selbst die konsequente Fiebersenkung bei fieberhaften Infekten stellt keine sichere Maßnahme dar, mit der ein weiterer Fieberanfall verhindert werden könnte. Wenn die Fiebersenkung auch als plausible Schutzmaßnahme bei einem Fieberkrampf erscheint, so ist doch klar belegt, dass diese nicht zuverlässig weitere Anfälle verhindern kann. Als Eltern brauchen Sie sich daher keine Vorwürfe zu machen oder sich mit Schuldgefühlen zu quälen, wenn bei Ihrem Kind ein erneuter Fieberkrampf auftreten sollte. Es gibt keinen medizinischen Grund, das Fieber „um jeden Preis“ senken zu müssen. Zusammengefasst kann man sagen: Fiebersenkung kann für das Wohlbefinden eines Kindes gut und sinnvoll sein, nicht aber, um das erneute Auftreten eines Fieberkrampfes zu verhindern. Nur in sehr wenigen Einzelfällen kann bei Kindern mit komplizierten (oder sehr vielen, häufigen) Fieberkrämpfen die kurzzeitige, vorbeugende Gabe eines krampflösenden Medikamentes im Rahmen von fieberhaften Infekten sinnvoll sein (z. B. für 48 Stunden ab Beginn des Fiebers).
Nicht selten werden solche Krämpfe von Laien mit der Bezeichnung „Zahnkrämpfe“, „Wachstumsstörungen“, „Fraisen“ oder „Gichter“ abgetan. Diese Verharmlosung kann dazu führen, dass die richtigen Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Gelegenheitsanfälle unterbleiben. Der Zahndurchbruch ist – entgegen einer weit verbreiteten Ansicht – bei Kindern nie die Ursache von Krämpfen. Die Aussage darüber, was im Einzelfall zugrunde liegt, kann nur die ärztliche Fachperson treffen.
Von einer Epilepsie spricht man erst, wenn epileptische Anfälle spontan aufgetreten sind. Die Ursachen für Epilepsie sind dabei zahlreich. Zum Beispiel kann sich eine Epilepsie als Spätfolge einer Schädelverletzung oder einer angeborenen Veränderung des Gehirns erst Jahre nach dem Ereignis entwickeln. Bei anderen Epilepsieformen findet man in den verschiedensten Untersuchungen gar keine auffälligen Veränderungen. Bei diesen Epilepsien bleibt die Ursache oft ein Leben lang unklar.
Wichtiger Hinweis: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, folgende Informationen ausschließlich Ärztinnen und Ärzte bzw. Menschen mit Gesundheitsberufen zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind die Fachartikel rund um Epilepsie ausschließlich mit einem Log-in aufrufbar, z. B. via DocCheck.
Ein einzelner epileptischer Anfall erfordert normalerweise keine medizinische Hilfe und stellt damit auch keinen medizinischen Notfall dar. Es gibt dennoch einige Maßnahmen, die man im Falle eines Falles ergreifen sollte, um dem*der Betroffenen und dem*der behandelnden Ärzt*in zu helfen. Die wichtigsten Do's and Don'ts der Ersten Hilfe haben wir hier zusammengefasst.
Behandlung des Dravet-Syndroms
Das Dravet-Syndrom (DS) ist eine seltene Form der Epilepsie, die mit einer gestörten psychomotorischen und neurologischen Entwicklung einhergeht. Etwa 85 % der DS-Fälle werden durch Mutationen im SCN1A-Gen verursacht. Eine multizentrische retrospektive Kohortenstudie hat Daten zum pharmakologischen Anfallsmanagement dieser Patientinnen und Patienten in Deutschland erhoben.
Epileptische Anfälle haben viele Formen
Es gibt viele verschiedene Anfallsformen und weitere Symptome bei Epilepsie. Hier erfahren Sie mehr über die Unterschiede und Anzeichen.
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