Neuesten genetischen Studien zufolge wird angenommen, dass vorwiegend Mutationen in den Genen SLC3A1 und SLC7A9 zu einem erhöhten Steinrisiko führen. Beide Gene kodieren für Untereinheiten wichtiger Transportproteine in den Nierentubuli und des Dünndarms. Liegt ein Gendefekt vor, kommt es zu einer Störung des Transportes im Sinne von Resorptionsstörungen und in Folge dessen zu einer erhöhten Ausscheidung der Aminosäuren Cystein, Ornithin, Lysin und Arginin.
Obwohl alle der genannten Aminosäuren eine hohe Konzentration im Urin erreichen, gilt Cystein als die steinbildende Substanz. Dies liegt darin begründet, das Cystin (Cystein-Cystein) bei sauren bis normalen Urin pH-Wert unlöslich ist. In Folge dessen kommt es zur Cystin-Präzipitation, zur Ausbildung von Cystinkristallen und konsekutiv zur Steinformation.
Im Laufe des Lebens erleiden über 50% der Patienten ein Cystin-bedingtes Steinleiden, wobei die Manifestation der Erkrankung grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten kann. In mehr als 80 % der Fälle zeichnet sich die Erkrankung in den ersten beiden Lebensdekaden ab. Ein frühes Auftreten der Steine scheint bei männlichen Patienten wahrscheinlicher zu sein als bei weiblichen Patienten. Darüber hinaus sind vor allem männliche Patienten häufiger betroffen als weibliche Individuen.
Das vermehrte Ausscheiden von Cystin allein verursacht in aller Regel keine Symptome. Diese treten erst durch die Bildung von Cystinkristallen und später durch Cystinsteine auf, die wiederum folgenschwere Komplikationen nach sich ziehen können.
Dazu zählen:
Vor allem bei kleineren Kindern, treten die Symptome jedoch unspezifischer auf, weshalb sich eine schnelle Diagnosefindung häufig als schwierig darstellt.
Symptome, die bei Kindern auftreten:
Bei Verdacht auf Zystinurie können folgende Untersuchungen zur Befundabklärung durchgeführt werden:
Patienten, die bereits medikamentös eingestellt wurden, sollten zur Messung des Therapieerfolges in regelmäßigen Abständen ihren behandelnden Arzt zur Nachuntersuchung aufsuchen.
Da es sich bei der Zystinurie um eine genetisch bedingte Steinbildung handelt, ist eine Heilung der kausalen Ursache – dem Gendefekt – zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Ziel der Behandlung ist die Vermeidung weiterer Komplikationen, wobei die allgemeine Aussicht auf einen Therapieerfolg von folgenden Faktoren abhängt:
Konservative Therapie
Die Säulen der konservativen Therapie dienen dem Ziel, die erhöhte Cystinkonzentration 24h – also Tag und Nacht – auf einen Normbereich zu verringern. Dies reduziert die Wahrscheinlichkeit, einen Nierenstein auszubilden und kann seltene aber schwerwiegende Komplikationen vermeiden.
Alkalisierungstherapie
Der Einsatz von alkalisierenden Substanzen wird für alle Zystinurie-Patienten empfohlen. Sie heben den Urin-pH Wert deutlich über 7,5 an und führen somit zu einer besseren Löslichkeit von Cystin.
Cystin-bindende Medikamente
Liegen die Cystinspiegel in sehr hoher Konzentration vor, werden sogenannte chelatbildende Medikamente, die die Bindungen im Cystin aufspalten und einen gut löslichen Cystin-Medikamentenkomplex bilden, eingesetzt. Diese werden vor allem bei sehr hohen Cystinwerten von über 3mmol / Tag empfohlen.
Interventionelle Therapie
Greifen die obigen Therapieoptionen nicht und es kommt zu einer Steinausbildung oder zu einer Notfallsituation wie z. B. durch einen kompletten Verschluss der ableitenden Harnwege und somit zu einer lebensbedrohlichen Harnrückstauung in die Niere, können abhängig von der Größe und Lage der Steine verschiedene invasive und operative Behandlungsoptionen zum Einsatz kommen. Da die Zystinurie vorwiegend einen rezidivierend-chronischen Verlauf annimmt, ist eine adäquate Einstellung der Cystinkonzentration für eine Prävention weiterer Ereignisse unerlässlich.
Die hier abgebildeten Informationen dienen ausschließlich zu allgemeinen Aufklärungszwecken und nicht zur Diagnose-, Befund- und Therapieempfehlung. Bitte ziehen Sie bei allen medizinischen Fragen zu dieser Erkrankung einen Arzt zu Rate.
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