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Verfasst von: Desitin Redaktionsteam

Ursachen

Ursachen einer Epilepsie: Die Suche nach dem Auslöser

Eines haben alle Epilepsien gemeinsam: Sie haben ihren Ursprung im Gehirn. Als Auslöser kommen jedoch verschiedenste Ursachen infrage. Und diese sind je nach Alter der Betroffenen mehr oder weniger häufig.

Zusätzlich besteht beim Begriff „Auslöser“ einer Epilepsie oft die Verwechslungsgefahr mit Triggern einzelner Anfälle. So verstehen viele Patientinnen und Patienten und ihre Angehörigen unter Auslösern epileptischer Anfälle bestimmte Reize oder Situationen, die zu sogenannten Reflexanfällen führen können, zum Beispiel Flackerlicht, Alkohol, Drogen, Fernsehen, Stress, Schlafmangel oder extreme Witterungswechsel. Diese Reize sind jedoch keinesfalls Auslöser einer Epilepsie, sondern können maximal entsprechende Anfälle „triggern“. Zudem reagieren lange nicht alle Menschen mit Epilepsie mit einem Krampfanfall auf diese Trigger. Mehr noch; die genannten Trigger können theoretisch bei allen Menschen zu sog. akut-symptomatischen Krampfanfällen oder Fieberkrämpfen führen, auch wenn diese nicht an Epilepsie leiden. Das Krankheitsbild Epilepsie wird zudem gerade dadurch definiert, dass Krampfanfälle auch ohne erkennbare Auslöser, also als nicht-provozierte Anfälle, auftreten. Nur dann spricht man wirklich von einer Epilepsie. Treten Anfälle ausschließlich bei entsprechender Provokation oder unter bestimmten Umständen auf, so handelt es sich nicht um epileptische Anfälle.

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Epilepsie Ursachen bei Kindern & Erwachsenen

Die wirklichen Auslöser einer Epilepsie, die man viel mehr als Ursache der Erkrankung bezeichnen sollte, sind niemals äußere Reize, sondern im Gehirn und Stoffwechsel der Patientinnen und Patienten zu suchen.

Grundsätzlich gilt, dass jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein kann. Die Medizin unterscheidet hier zurzeit strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen. Strukturelle Veränderungen am Gehirn entstehen beispielsweise durch Schlaganfälle oder Tumore. Infektionen des Gehirns können unter anderem durch Borreliose hervorgerufen werden. Metabolische Veränderungen, also solche, die den Stoffwechsel betreffen, stehen z. B. mit seltenen Stoffwechselerkrankungen, wie der Phenylketonurie* in Verbindung. Bei den immunologischen Ursachen handelt es sich um Entzündungsvorgänge im Gehirn, z. B. wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt. Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die heute schlichtweg als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet werden. Sie erfüllen also zum Beispiel die Kriterien wie Anfallshäufigkeit von nicht-provozierten Anfällen, nach denen eine Epilepsie laut Leitlinie definiert und von anderen Anfallsleiden abgrenzt wird. Jedoch ohne erkennbare strukturelle, immunologische, genetische, metabolische oder infektiöse Ursache.

Ab wann spricht man per Definition von Epilepsie?1

  • wenn zwei nicht provozierte Anfälle oder Reflexanfälle auftreten, zwischen denen mehr als 24 Stunden liegen.
  • wenn nach einem nicht provozierten Anfall oder Reflexanfall eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 60 % besteht, dass innerhalb der nächsten 10 Jahre ein weiterer Anfall auftritt.
  • wenn, unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde, des EEG, der Symptomatik des Krampfanfalls und weiterer Aspekte durch die Ärztinnen und Ärzte ein spezifisches Epilepsie-Syndrom diagnostiziert wird. Das können generalisierte Epilepsiesyndrome oder fokale Epilepsiesyndrome sein.

* Phenylketonurie: Angeborene, erbliche Erkrankung des Eiweißstoffwechsels, die den Abbau der Aminosäure Phenylalanin verhindert. Diese sammelt sich im Körper an und stört beim Kind die Entwicklung des Gehirns. Unbehandelt führt eine Phenylketonurie zu schweren geistigen Behinderungen.

Die häufigsten Ursachen sind die genetischen oder auch idiopathischen Epilepsieursachen. Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden. Sofern keine strukturelle oder metabolische Epilepsie-Ursache erkennbar ist, ihr jedoch ein bekannter oder vermuteter Gendefekt zu Grunde liegt, ist von einer genetischen (früher: idiopathischen) Epilepsie die Rede.

Bei Kindern treten Erkrankungen mit erkennbarer Epilepsie-Ursache in der Regel ähnlich häufig auf wie Epilepsien ohne erkennbare Ursache. Bei Ersterkrankung im (höheren) Erwachsenenalter verschiebt sich das Bild ein wenig. Je älter der Mensch wird, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit für Kopfverletzungen oder metabolische Erkrankungen, die, wie oben beschrieben, als Ursache epileptischer Anfälle ausgemacht werden können. So treten die strukturellen Epilepsien mit steigendem Alter häufiger auf (z. B. nach einem Schlaganfall).

Epilepsie nach Ursachen klassifizieren

  • Genetische Epilepsie: Früher auch als idiopathische Epilepsie bezeichnet. Es wird eine genetische Ursache vermutet. Häufig ist der Gendefekt schon identifiziert. Dennoch ist die Epilepsie nicht unbedingt vererbbar.
  • Strukturelle Epilepsie: Früher auch als symptomatische Epilepsie bezeichnet, ist sie als Folge einer bekannten Ursache wie einem Schlaganfall, Hirntumor oder einer Kopfverletzung bzw. Hirnverletzung entstanden. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen.
  • Infektiöse Epilepsie: Auch die infektiösen Epilepsien wurden früher als strukturell bezeichnet. Ihnen liegt eine infektiöse Erkrankung (hervorgerufen durch Viren oder Bakterien) des Gehirns zugrunde, wie z. B. eine Meningitis („Hirnhautentzündung“).
  • Metabolische Epilepsie: Die metabolische Epilepsie wurde ebenfalls lange zu den strukturellen Epilepsien gezählt. Sie gehen aus Veränderungen im Stoffwechsel (Metabolismus) hervor, z. B. beim Glucosetransporterdefekt Typ1.
  • Immunologische Epilepsie: Ebenfalls bis vor Kurzem zu den strukturellen Epilepsien gezählt, unterscheidet man heute die immunologischen Epilepsien dahingehend, dass ihnen eine chronische Entzündung des Gehirns zugrunde liegt. Verursacht wird die Entzündung durch eine Autoimmunkrankheit, also eine Krankheit, bei der das Immunsystem den eigenen Körper angreift. In diesem Falle das Gehirn.
  • Unbekannte Ursache: Früher auch als kryptogen bezeichnet. Nach aktuellem Forschungsstand gibt es für diese Epilepsie keine offensichtliche Ursache.

Grundsätzlich kann jedes Gehirn in einen Zustand versetzt werden, in dem es zum epileptischen Anfall kommt. Beispiele sind die Auslösung eines epileptischen Anfalls durch elektrischen Strom, massiven Unterzucker, Störung der Balance der Blutsalze, Hirnblutung oder Entzündungen im Gehirn.

Bei Menschen mit Epilepsie liegt eine Übererregbarkeit der Nervenzellen und/oder des neuronalen Netzwerkes vor, so dass epileptische Anfälle spontan oder bei minimalen (oder gar keinen erkennbaren) Auslösern auftreten.

Die beiden häufigsten Ursachengruppen dafür sind strukturelle Veränderungen im Gehirn und die genetische Veranlagung. Sehr selten beruht eine Epilepsie auf Stoffwechselstörungen, autoimmunen oder entzündlichen Prozessen.

Strukturelle Epilepsie erkennen

Strukturelle Ursachen von Epilepsie lassen sich meist mittels Magnetresonanztomographie (MRT) feststellen. Hier findet man eine Läsion, also eine Auffälligkeit der Hirnstruktur. So kann z. B. eine Narbe im Gehirn zu einer Übererregbarkeit mit fokalen Anfällen aus genau dieser Region führen. Häufige Ursachen für strukturelle Epilepsien sind Narben nach Geburtsschaden, Schlaganfall, Unfall oder Entzündung (z. B. Herpesvirusinfektion), (in aller Regel gutartige) Tumore und Fehlbildungen des Gehirns (sogenannte Malformationen der kortikalen Entwicklung).

Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie).

Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren. Bei Kindern mit entsprechend schwierigem Verlauf sollte unbedingt eine hochauflösende MRT mit gezielten Sequenzen zur Darstellung fokaler kortikaler Dysplasien durchgeführt und ggf. nach Abschluss der Hirnreifung wiederholt werden. Da das Gehirn nicht repariert werden kann und sich Nervenzellen nicht im Nachhinein umorganisieren können, ist eine Ausheilung der Epilepsie (also ein Leben ohne Anfälle und ohne Therapie) bei den Betroffenen unwahrscheinlich. Allerdings kann sich in einzelnen Fällen bei einem schweren Verlauf die Möglichkeit einer Epilepsiechirurgie mit Entfernung der anfallsauslösenden Läsion ergeben.

Genetische Ursachen für Epilepsie diagnostizieren

Die andere große Gruppe von Patienten hat die Epilepsie nicht als Folge einer zugrundeliegenden strukturellen Veränderung. Die Epilepsie selbst ist die Krankheit. Die Nervenzellen und/oder deren Netzwerk sind von Ihrem genetischen Programm her übererregbar. Betroffene tragen eine Veranlagung zur Epilepsie in sich, was „genetische Epilepsie“ genannt wird.

Der Begriff „genetisch“ ist nicht mit „Erbkrankheit“ gleichzusetzen. Die wenigsten Epilepsien wurden als Gendefekt (also Mutation in einem für die Hirnfunktion wichtigen Gen mit der Folge einer Übererregung) ererbt. Mittels genetischer Diagnostik (in Blutzellen) können selten Abweichungen der Chromosomenzahl (z. B. Trisomie 21) festgestellt werden.

Größere Verluste von genetischem Material oder ein abnormer Zugewinn (copy number variations) können mit der sogenannten Array-CGH festgestellt werden. Meist sind dann mehrere bis viele verschiedene Gene betroffen. In aller Regel sind diese Veränderungen schicksalhaft spontan entstanden und nicht ererbt.

Eine Untersuchung der Eltern kann sinnvoll sein um zu prüfen, ob bei ihnen dieselbe Veränderung vorliegt. Solche copy number variations können, da sie sich in allen Körperzellen finden, vom Betroffenen weitervererbt werden. Von den etwa 20.000 Genen, die wir in jeder Körperzelle in uns tragen, haben tausende mit der Gehirnfunktion und -entwicklung zu tun. Wenn ein Gen, dass für die Hirnfunktion sehr wichtig ist und etwas mit der Erregung der Nervenzellen zu tun hat, krankhaft verändert ist, dann kann das zur Epilepsie führen (monogenetische Epilepsie). Es sind über 500 Gene, deren Mutation zur Epilepsie führen kann, bekannt. Diese Gene können im Labor einzeln oder im Rahmen der modernen Abklärung alle gleichzeitig untersucht werden (next generation sequencing, NGS).

Es ist sogar möglich, alle Gene des Menschen in einer einzigen Untersuchung auf Mutationen hin abzuklären, wobei man sich darüber klar sein muss, dass es auch Zufallsbefunde mit und ohne Relevanz geben kann. Nach dem Gendiagnostikgesetz muss vor einer genetischen Diagnostik eine umfassende Aufklärung über den Sinn und Zweck, die Methodik und den Umgang mit Zusatzbefunden erfolgen und eine Einwilligung der Betroffenen, bzw. Sorgeberechtigten eingeholt werden. Die allermeisten monogenetischen Epilepsien sind nicht ererbt, sondern beruhen auf spontanen, also schicksalhaften Mutationen. Jedes Gen ist in der Zelle zweimal, also von Mutter und Vater stammend, vorhanden. Bei manchen Genen kann schon eine spontane Mutation einer Kopie des Gens zur Krankheit führen, was man „autosomal dominant“ nennt. Betroffene werden diese Mutation und die Krankheit statistisch an die Hälfte ihrer eigenen Kinder weitergeben.

Da eine Mutation in Abhängigkeit von der 20 übrigen genetischen Ausstattung der Zellen nicht immer zum vollen Krankheitsbild führen muss, kann es selten sein, dass in einer Familie jemand, der dieselbe Mutation trägt, nur mild oder sogar gar nicht betroffen ist. Dann ist eine Vererbung möglich, obwohl ansonsten scheinbar niemand in der Familie betroffen ist. Epilepsien werden selten „autosomal rezessiv“ vererbt, so dass Vater und Mutter jeweils eine Mutation und eine normale Genkopie in sich tragen und gesund sind, dann aber mit einem Risiko von 25% beide mutierten Kopien an das Kind weitergegeben werden, welches dann erkrankt. Sehr selten werden Epilepsien über das Geschlechts-XChromosom durch die Mutter (noch sehr viel seltener durch den Vater) vererbt.

Umgang mit Schuldgefühlen bei Vererbung

Vor einem Gentest muss also auch darüber gesprochen werden, wie man mit einer möglichen Vererbung umgeht. Erfahrungsgemäß sind Eltern aber erleichtert, wenn bei ihrem Kind endlich eine Diagnose schwarz auf weiß gestellt wurde, da nicht selten vor allem die Mütter über Jahre Schuldgefühle in sich tragen („Was habe ich falsch gemacht, dass mein Kind krank ist?“). Selten kann das Wissen um den Mechanismus, dessen Störung zur Epilepsie führt, einen personalisierten Therapieansatz ermöglichen („Präzisionsmedizin“). Wenn es sich bei dem betroffenen Gen um eines handelt, dass nur in einer bestimmten Phase der Hirnentwicklung wichtig ist, kann es sein, dass die Epilepsie nach dieser Zeit ausheilt.

Andere Gene spielen lebenslang eine wichtige Rolle und eine Ausheilung der Epilepsie ist bei einer entsprechenden Mutation dann unwahrscheinlich. 21 Bei den meisten Menschen mit genetischer Epilepsie sind die Ergebnisse der Mutationssuche normal. Die exakte Ursache bleibt unklar. In den meisten dieser Fälle ist es so, dass gar nicht ein einziges, für das Gehirn wichtiges Gen krankhaft mutiert ist, sondern eine kritische Anzahl an Genen minimale Varianten ihrer Aktivität zeigen, die jede für sich eigentlich noch normal sind (Normvarianten). Dabei funktioniert das eine Gen vielleicht ein bisschen zu stark und ein anderes ein bisschen zu wenig. Erst die Kombination dieser Veränderungen führt dann zur Krankheit. Diese Veranlagung nennt man „polygenetisch“.

Diese häufige Form genetischer Epilepsien lässt sich heutzutage noch nicht im Labor diagnostizieren, da ja kein Gen krankhaft verändert ist und die Varianten ja auch bei Gesunden vorkommen. Gerade bei polygenetischer Epilepsie ist die Hoffnung auf einen selbstlimitierten Verlauf mit spontaner Ausheilung („verwächst sich“) groß, da ein Teil der Gene möglicherweise im Laufe der Entwicklung weniger Bedeutung haben und andere, ähnliche Gene ihre Funktion übernehmen können. Auch kann das Gleichgewicht von Erregung und Hemmung wiederhergestellt werden, wenn weitere genetische Aktivitäten im Laufe der Zeit hinzukommen und kleine Funktionsstörungen ausgleichen. Im Grunde ist es so, dass die Langzeitprognose einer Epilepsie umso besser ist, je weniger in der diagnostischen Abklärung gefunden wird. Bei manchen Epilepsien ist es sogar so, dass von Beginn an von einer guten Langzeit-Prognose ausgegangen werden kann (z. B. Rolandoepilepsie, klassische Absenceepilepsie).

Was passiert im Gehirn?

Die Epilepsie beruht auf einer Funktionsstörung der Nervenzellen im Gehirn. Ähnlich wie bei einem Kurzschluss kommt es zu übermäßigen elektrischen Entladungen. Der epileptische Anfall ist die Folge dieser rasch aufeinander folgenden Entladungen der Nervenzellen des Gehirns. Ein solches abnormes Verhalten der Nervenzellen kann sowohl durch
eine genetische Disposition als auch durch äußere (erworbene) Bedingungen hervorgerufen werden („idiopathische“ bzw. „symptomatische Epilepsien“).

Da Epilepsie bei Kindern und älteren Menschen besonders häufig auftritt, ist die Ursachenforschung hier am weitesten fortgeschritten. So konnten bereits zahlreiche äußere Ursachen und Risikofaktoren identifiziert werden, die eine Epilepsie auslösen können.

Häufigkeit der Epilepsie bei Kindern & älteren Menschen

Wie bereits erwähnt, treten epileptische Anfälle insbesondere bei Babys und Kleinstkindern, sowie bei älteren Menschen besonders häufig auf. Die Kurve der Inzidenz kann man sich wie eine U-Form vorstellen, die auf der linken Seite jedoch etwas niedriger verläuft als auf der rechten Seite. Im höheren Lebensalter ist die Inzidenz also besonders hoch. Während des ersten Lebensjahrs liegt die Inzidenz etwa bei 80 Fällen pro 100.000 Einwohner pro Jahr. Danach fällt die Kurve ab, bis sie während der mittleren Lebensjahre zwischen 40 und 50 ihren Tiefpunkt von ca. 20 Fällen pro 100.000 Einwohner erreicht. Anschließend steigt die Kurve wieder an. Ihren Höhepunkt erreicht die Inzidenz mit Abstand im hohen Alter ab 80 Jahren. Hier liegt sie bei 160 Fällen pro 100.000 Einwohner und ab dem 89. Lebensjahr sogar bei knapp 180 Fällen.2 Die Epilepsie ist somit übrigens die dritthäufigste Erkrankung des Gehirns im Alter.

Zur Einordnung: Die Inzidenz von ischämischen Schlaganfällen liegt bei Menschen zwischen 75 und 84 Jahren bei 1.200 pro 100.000 Einwohner. Und genau dort besteht auch ein Zusammenhang.

Während Epilepsien im Kindesalter ungefähr zu gleichen Anteilen auf bekannte und unbekannte Ursachen zurückzuführen sind, so können im höheren Lebensalter immer häufiger konkrete Ursachen für die Epilepsie identifiziert werden, zum Beispiel metabolische Erkrankungen oder Kopfverletzungen. Entsprechend nimmt der Anteil struktureller Epilepsien im Alter deutlich zu. Dazu zählen auch metabolische, infektiöse und immunologische Epilepsien, die lange Zeit unter dem Begriff der strukturellen Epilepsien summiert wurden. Denn im Alter steigt die Wahrscheinlichkeit deutlich an, zum Beispiel einen Herzinfarkt zu erleiden, sowie an Krebs oder Stoffwechselstörungen zu erkranken. Damit können dann auch strukturelle Auswirkungen auf das Gehirn einhergehen, was letztendlich zu einer Epilepsie führen kann. Ebenso steigen Unfall- und Sturzgefahr im Alter, was entsprechende Kopfverletzungen begünstigt.

Ein weiteres Problem im Alter ist es, dass Symptome für epileptische Anfälle oft falsch interpretiert werden, zum Beispiel als normale Alterserscheinung, beginnende Demenz oder Verwirrtheit. Denn ein epileptischer Anfall geht keinesfalls immer mit Muskelzuckungen, Verkrampfungen und den anderen Anzeichen eines sog. „Grand mal“-Anfalls einher. Oft sind die Anzeichen viel subtiler, zum Beispiel kann eine kurze Störung des Bewusstseins mit starrem Blick ebenfalls auf einen epileptischen Anfall hindeuten (Absencen). Die Wahrscheinlichkeit, dass andere Erkrankungen die Altersepilepsie überdecken, steigt vor allem dann, wenn Betroffene zusätzlich an Parkinson oder Demenz leiden.

Die häufigsten der äußeren Ursachen im Kindesalter:

  • Störungen der Hirnentwicklung in der Schwangerschaft, beispielsweise durch starke Blutungen der Schwangeren (mit dadurch bedingtem Sauerstoff- oder Nährstoffmangel der Leibesfrucht), Chromosomenstörungen, Fehlanlagen, Vergiftungen, Infektionen (z. B. Röteln in der Frühschwangerschaft).
  • Hirnblutungen, Hirnquetschungen oder Sauerstoffmangel während der Geburt (Schädigung und / oder Verlust von Nervenzellen).
  • Hirn- oder Hirnhautentzündungen
  • Kinderkrankheiten, z. B. Masern, Mumps, Keuchhusten oder Windpocken
  • Hirnverletzungen durch Unfall (Blutung ins Gehirn, Hirnquetschung)
  • Gehirnerkrankungen wie Gehirngeschwülste (Hirntumore)
  • Angeborene Stoffwechselstörungen

Zwischen den genannten ursächlichen Erkrankungen und dem Ausbruch der Epilepsie können Monate, ja viele Jahre liegen. Ihre Ärztinnen und Ärzte werden sich bemühen herauszufinden, welche dieser Ursachen für die epileptischen Anfälle des Kindes verantwortlich ist. Hierdurch gewinnt man entscheidende Hinweise für die richtige Behandlung und die Heilungschancen.

Bei einem Teil der Kinder gelingt es trotz des Einsatzes modernster Untersuchungsmethoden noch nicht, die Ursache der Anfälle zu klären. Aber auch hier ist eine Behandlung erforderlich und nicht selten eine völlige Ausheilung der Epilepsie möglich.

Häufige Ursachen für Epilepsie im Alter:

  • Schlaganfälle (bei über 30 % der Epilepsien im Alter)
  • Unfälle und Stürze (Schädel-Hirn-Traumata)
  • Stoffwechselerkrankungen
  • Beginnende Demenz
  • Entzündungsvorgänge im Körper
  • Hirntumore
  • Neurodegenerative Erkrankungen (Demenz)

Doch auch im Alter kann bei etwa einem drittel der Patientinnen und Patienten keine eindeutige Ursache für die Entstehung der Epilepsie ausgemacht werden.

Sowohl im Alter als auch bei Kindern ist es vor allem entscheidend, die entsprechenden Symptome und Anfallsformen zu kennen und genau darauf zu achten, um eine Epilepsie zu erkennen und möglichst schnell diagnostizierten zu können und anschließend mit der passenden Therapie zu beginnen.

Weitere Informationen zu Symptomen & Anfallsformen

Epileptische Anfälle haben viele Formen

Es gibt viele verschiedene Anfallsformen und weitere Symptome bei Epilepsie. Hier erfahren Sie mehr über die Unterschiede und Anzeichen.

Aktuelle Artikel & Fortbildungen für Fachkreise

Wichtiger Hinweis: Wir sind rechtlich dazu verpflichtet, folgende Informationen ausschließlich Ärztinnen und Ärzte bzw. Menschen mit Gesundheitsberufen zur Verfügung zu stellen. Deshalb sind die Fachartikel rund um Epilepsie ausschließlich mit einem Log-in aufrufbar, z. B. via DocCheck.

Epilepsie im Alter

Häufig tritt nach dem 65. Lebensjahr eine Epilepsie auf, man spricht dann von Altersepilepsie. In dieser Fortbildung erläutert Ihnen die Expertin Dr. med. Judith Osseforth, wie eine medikamentöse Therapie speziell bei älteren Epilepsie-Patientinnen und Patienten erfolgen kann, auf welche Aspekte dabei geachtet werden sollte und welche weiteren unterstützenden Maßnahmen bei der Behandlung zur Verfügung stehen

Behandlung des Dravet-Syndroms

Das Dravet-Syndrom (DS) ist eine seltene Form der Epilepsie, die mit einer gestörten psychomotorischen und neurologischen Entwicklung einhergeht. Etwa 85 % der DS-Fälle werden durch Mutationen im SCN1A-Gen verursacht. Eine multizentrische retrospektive Kohortenstudie hat Daten zum pharmakologischen Anfallsmanagement dieser Patientinnen und Patienten in Deutschland erhoben.

Ist Epilepsie eine Erbkrankheit?

Viele Betroffene fragen sich, ob sie ihre Erkrankung geerbt haben oder ob sie diese vererben könnten. Tatsächlich ist das Vererbungsrisiko sehr gering und hängt von der Art der Epilepsie ab. Mittlerweile werden immer mehr Gendefekte identifiziert, die an der Entstehung beteiligt sind. Dies heißt jedoch nicht automatisch, dass die Erkrankung auch vererbt werden kann. Nur bei einigen wenigen Epilepsien ist ein gewisses Vererbungsrisiko bekannt, fragen Sie im Zweifel gezielt bei Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt danach.

Ein Beispiel ist das Dravet-Syndrom. Diese seltene Form der Epilepsie wurde im Jahr 1978 das erste Mal von der französischen Kinderneurologin Charlotte Dravet beschrieben. Das Dravet-Syndrom beginnt in der Regel zwischen dem 3. und 12. Lebensmonat. Im Verlauf kommt es neben verschiedenen Formen von Anfällen auch zu einer Beeinträchtigung der geistigen Entwicklung.

Zunächst kann man ganz allgemein sagen, dass zum Entstehen der meisten Krankheiten zwei Voraussetzungen gehören:

  • eine (innere) Veranlagung
  • äußere oder erworbene Faktoren (z. B. eine Hirnverletzung in der Vergangenheit)

Bei manchen Krankheiten spielt die Veranlagung eine besonders große Rolle (z. B. juveniler Diabetes = Zuckerkrankheit im jungen Lebensalter). Dazu gehören oft jene, bei denen vor allem äußere (erworbene) Bedingungen auslösend wirken (z. B. Lungenkrebs).

Das Ausmaß der Veranlagung zu einer bestimmten Krankheit ist an das Erbmaterial (die Gene) gebunden und wird weitervererbt; man spricht deshalb auch von einer genetischen oder familiären Disposition (Veranlagung). So gibt es beispielsweise Familien, in denen die Veranlagung zum Diabetes größer ist; dennoch ist die Zuckerkrankheit keine Erbkrankheit. Von einer Erbkrankheit spricht man nur dann, wenn die Krankheit selbst (nicht nur die Veranlagung zu ihr) nach ganz bestimmten Erbgesetzen vererbt wird.

Die Epilepsie ist keine Erbkrankheit, d. h. die Krankheit Epilepsie wird in der Regel nicht von Vater oder Mutter auf das Kind vererbt. Auf sehr seltene Ausnahmen soll hier nicht eingegangen werden. Jedoch kann die Veranlagung zur Epilepsie in verschiedenen Familien unterschiedlich ausgeprägt sein. So ist es verständlich, dass in manchen Familien mehrere Familienmitglieder epileptische Anfälle erleiden oder an einer Epilepsie erkranken können, wobei aber zur bestehenden Veranlagung immer ein auslösender Faktor hinzukommen muss.

Nun gibt es Epilepsien, bei denen die genetische Disposition bei der Krankheitsentstehung die entscheidende Rolle spielt (und nicht die äußeren Auslösefaktoren); solche Epilepsien bezeichnet man als „überwiegend genetisch bedingte Epilepsien“.

Zu ihnen gehören im Kindesalter beispielsweise:

Bei der Entstehung der meisten Epilepsien spielen aber die äußeren (erworbenen) Faktoren eine deutlich größere Rolle als die genetische Disposition. Das weit verbreitete Vorurteil, die Epilepsie sei eine Erbkrankheit, hat schon über manche Familie großes Unglück gebracht. Machen Sie sich also keine Vorwürfe und quälen Sie sich nicht mit der Frage nach einer eventuellen „Schuld“ für die Krankheit Ihres Kindes, sondern wenden Sie Ihr ganzes Interesse der richtigen Behandlung zu.

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Epilepsie richtig behandeln

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Zu den Mitwirkenden


1 Brandt, C.: Epilepsie in Zahlen. Informationszentrum Epilepsie (ize)
der Dt. Gesellschaft für Epileptologie e.V. 2016. Online verfügbar unter http://www.dgfe.org/home/showdoc,id,387,aid,217.html. Zuletzt abgerufen: April 2022.
2 Baumgartner, C, Pirker, S: Journal für Neurologie, Neurochirurgie und Psychiatrie 2012; 13(2): 64-80 (abgerufen am 16.09.2022)
der Dt. Gesellschaft für Epileptologie e.V. 2016. Online verfügbar unter http://www.dgfe.org/home/showdoc,id,387,aid,217.html. Zuletzt abgerufen: April 2022.
3 Elger C.E, Berkenfeld R. (geteilte Erstautorenschaft) et al. S1-Leitlinie Erster epileptischer Anfall und Epilepsien im Erwachsenenalter. 2017. In: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Hrsg. Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien (abgerufen am 16.09.2022)
4 Sander JW et al. National General Practice Study of Epilepsy: newly diagnosed epileptic seizures in a general population. Lancet 1990;336(8726):1267-1271. doi:10.1016/0140-6736(90)92959-l.
5 Brandt, C.: Akut-symptomatische epileptische Anfälle: Inzidenz, Prognose und Aspekte der antiepileptischen Behandlung. Aktuelle Neurologie 2012, 480-485
5 Amboss. Generalisierte Epilepsien im Kindesalter. Online verfügbar unter: https://www.amboss.com/de/wissen/Fokale_Epilepsien_und_Syndrome. Zuletzt abgerufen: April 2021.

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