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Morbus Wilson

Grundlagen

Der Morbus Wilson ist eine familiäre, chronische und lebensbedrohliche Kupferstoffwechselstörung, die dringend einer medizinischen Abklärung und Therapie bedarf.

  • 1912 beschrieb erstmals der britische Neurologe Samuel Wilson die Erkrankung.
  • Als kausale Ursache ist u.a. ein Gendefekt im Kupfertransportprotein ATPase (ATP7B) bekannt, wobei mittlerweile mehr als 700 Mutationen beschrieben wurden.
  • Einige Mutationen können zu einer gestörten biliären Kupferexkretion führen, wobei toxische Kupferakkumulationen insbesondere Leber und Gehirn betreffen.
  • Die Erkrankung wird autosomal-rezessiv vererbt & verläuft unbehandelt in vielen Fällen tödlich.
  • Sie gilt als seltene Krankheit, da Sie mit einer Häufigkeit von ca. 1:30.000 auftritt.

Welche physiologische Rolle spielt Kupfer im Körper?

Kupfer ist als Spurenelement essentiell, da es an wesentlichen Stoffwechselprozessen in verschiedenen Organen und Geweben beteiligt ist.

Die prozentuale Verteilung von Kupfer auf einzelne Organe und Gewebe des menschlichen Körpers wird folgend geschätzt:

Adaptiert nach Marktl W. Physiologie und Ernährungsphysiologie von Kupfer. Journal für Mineralstoffwechsel & Muskuloskelettale Erkrankungen. 2000; 7 (2), 27-30.

Beispiele für körpereigene Prozesse, bei denen Kupfer eine Rolle spielt:

  • Wachstum
  • Angiogenese & Eisentransport
  • Immunabwehr
  • Knochen- & Bindegewebsfestigkeit
  • Hirnentwicklung
  • Glukosestoffwechsel
  • Pigmentbildung der Haut, Haare und Augen

Wieviel Kupfer benötigt der Mensch?

Unter normalen Umständen ist die Kupfermenge stark reguliert, da nicht proteingebundenes Kupfer im Körper toxisch reagiert und bei hohen Konzentrationen zu schweren Organschäden führt. Deshalb empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung e.V. folgende Schätzwerte für eine angemessene tägliche Zufuhr:

Säuglinge
0 bis unter 4 Monate
Säuglinge
4 bis unter 12 Monate
Kinder
1 bis unter 7 Jahre
Kinder
ab 7 Jahre und Erwachsene
Kupfer mg/Tag0,2-0,60,6-0,70,5-1,01,0-1,5

1 mg Kupfer ist beispielsweise enthalten in:

LebensmittelMenge (im Gramm)
Nüsse25
Kakaopulver25
Bierhefe25
Leber25-50
Miesmuscheln40
Austern50
Schokolade50
Weizenkeime50
Weizenkleie60
Hülsenfrüchte100
Roggenvollkornmehl125
Käse100-500

Symptome

Obwohl primär die Leber und das Gehirn in Ihrer Funktion eingeschränkt sind, können auch andere Organe betroffen sein. Laut epidemiologischen Studien manifestieren sich die ersten Symptome bei Betroffenen zwischen dem fünften und dem 45. Lebensjahr und nur selten danach.

Zu den Symptomen zählen u.a.:

Hepatisch: chron. Hepatitis, Leberzirrhose bis hin zu Leberversagen. Die Symptome treten in der Regel ab dem 2. Lebensjahr auf.

Neurologisch: es können mitunter motorische und koordinative Störungen auftreten, wie z. B. Tremor, Bewegungsstörungen, aber auch Schreib-, Schluck- und Sprechstörungen. Die Symptome treten in der Regel ab dem 15. Lebensjahr auf.

Psychiatrisch: bei etwa einem Drittel der Betroffenen zeigen sich psychiatrische Veränderungen wie Konzentrationsstörungen, Stimmungsschwankungen oder Depressionen. Die Symptome treten in der Regel ab dem 15. Lebensjahr auf.

Ophthalmologisch: ca. 80% der Patienten weisen sogenannte Kayser-Fleischer-Ringe auf, die durch einen 1-3 mm breiten grünlich-braunen, rötlich oder goldbraunen Ring am Rand der Kornea hervorstechen. Die Ringe entstehen durch Ablagerung von Kupfer und müssen nicht vollständig geschlossen sein. Die Symptome treten in der Regel ab dem 10. Lebensjahr auf.

Verlauf

Der Verlauf des Morbus Wilson variiert mitunter stark von Patient zu Patient. Dies hängt unter anderem von folgenden Faktoren ab:

  • Art und Ausprägung der Mutationen
  • Geschlecht
  • Alter, Symptombeginn und –schweregrad
  • Zeitpunkt der Diagnosestellung und Therapiestart
  • Therapietreue
  • Begleiterkrankungen

Wird die Diagnose relativ früh gestellt, das heißt im noch asymptomatischen Stadium und wird die Therapie frühzeitig eingeleitet und ein Leben lang aufrechterhalten, haben die Betroffenen eine grundsätzlich positive Prognose bzgl. ihrer Lebenserwartung.

Diagnose

Die Vermutung einer Wilson-Erkrankung folgt meistens:

  • einem Familienscreening
  • einer Verdachtsdiagnose aufgrund krankheitstypischer Symptome
  • jeder unklaren Bewegungsstörung
  • einer nicht infektiösen Lebersymptomatik

Die Diagnose wird dann in der Regel durch eine Vielzahl von Tests gesichert. Zur Befundklärung werden u.a. folgende Maßnahmen ergriffen:

  • Familienanamnese: Ein Familien-Screening eines diagnostizierten Wilson-Patienten ist notwendig und betrifft alle Geschwister (Risiko ca. 25 %) und Kinder (Risiko ca. 0,5 %).
  • Biochemische Diagnostik: Urinkupferausscheidung im 24h Sammelurin, Blutbild: u.a. Gerinnung, Leberenzyme, Kupfer & -Caeruloplasmin im Plasma, Nierenwerte. 
  • Histologische Untersuchung: Kupferbestimmung via Leberbiopsie oder –punktion.
  • Genetische Diagnostik: Eine Mutationsanalyse des ATP7B-Gens kann in bis zu 98% der Fälle krankheitsauslösende Mutationen aufdecken.
  • Bildgebende Verfahren: CT, PET, MRT-Kopf, Oberbauchsonografie.
  • Elektrophysiologische Diagnostik: EEG.

Therapie & Prävention

Obwohl es derzeit keine Heilung für Morbus Wilson gibt, stehen mehrere orale Medikamente zur Verfügung, die:

  • einen Symptomausbruch verhindern können
  • der Progredienz der Erkrankung entgegenwirken
  • zuweilen partielle Reversibilität ermöglichen

Die medikamentöse Therapie gliedert sich prinzipiell in zwei Wirkmechanismen:

Akkumuliertes Kupfer aus dem Organismus entfernen.Eine erneute Kupferaufnahme unterbinden.
Um das überschüssige Kupfer aus den Geweben und Organen zu entfernen, werden vor allem Kupferchelatoren eingesetzt. Das überschüssige Kupfer wird dann über den Urin aus dem Körper ausgeschieden.Eine weitere Möglichkeit ist die Verwendung von z.B. zinkhaltigen Präparaten, diese sollen den Gastrointestinaltrakt daran hindern, Kupfer aus der Nahrung aufzunehmen. Damit kann einer erneuten Akkumulation vorgebeugt werden.

Des Weiteren ist neben einer zwingend notwendigen lebenslangen medikamentösen Behandlung eine kupferarme Ernährung von Vorteil. Eine Supplementierung mit Antioxidantien wie Vitamin E könnte ebenfalls die Therapie des Morbus Wilson unterstützen.

In schweren Fällen, mit fulminantem Verlauf, kann eine Lebertransplantation überlebensnotwendig werden.

Allgemeiner Hinweis:

Die hier abgebildeten Informationen dienen ausschließlich zu allgemeinen Aufklärungszwecken und nicht zur Diagnose-, Befund- und Therapieempfehlung. Bitte ziehen Sie bei allen medizinischen Fragen zu dieser Erkrankung einen Arzt zu Rate.

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Wilson's Disease Tool - ESPGHAN (Abruf 22.10.2021)